FreakCasters - Menschen, Geschichten & Leidenschaften

David Stockenreitner über Humor, Inklusion und kriminelle Energie

Episode Summary

Heute ist bei uns Stand-up-Comedian David Stockenreitner zu Gast. Der gebürtige Kärtner hat ein neues Programm: El Disablo. Darin geht es unter anderem darum, dass Inklusion auch bedeutet Menschen mit Behinderung kriminelle Energie zuzutrauen. Wir waren bei einer Aufführung dabei und haben den Comedian danach ins ORF-Funkhaus eingeladen.

Episode Notes

Bei uns geht es um jene Dinge, die Menschen gerne tun – egal ob mit oder ohne Behinderung. So auch unser heutiger Gast. Er hasst es, wenn man ihn via Radio auffordert in den Tag zu starten. Manche Mitmenschen kann der gebürtige Kärntner nach eigener Aussage nicht besonders gut leiden. Und dennoch kommt er viel unter Menschen und bewegt sich im Rampenlicht. Denn David Stockenreitner ist Comedian. In seinem aktuellen Programm „El Disablo“ sucht er nach Wegen, um an Geld zu kommen. Ob legal oder illegal ist dabei nicht so wichtig. Hört hinein! 

Nächste Vorstellung:

„EL DISABLO – Ein Krüppelspiel“
Kabarett Niedermair

Datum: 7. Mai 2024

Uhrzeit: Beginn: 19:00 Uhr

Ort: Lenaugasse 1A, 1080 Wien

Alle Termine finden isch auch auf der Website von David Stockenreitner.

David Stockenreitenr sagt von sich selbst, er sei nur mutig auf der Bühne, sonst nirgends. So richtig gut bewegen kann er sich nicht und verlässt sich daher auf die Qualität seines Texts. Seinen USP als körperbehinderter Comedian nutzt er laut eigener Aussage als Passierschein für Pointen.

Foto: Copyright: Stefan Joham

Episode Transcription

David Stockenreitner/Ausschnitt El Disablo: Hallo, mein Name ist David Stockenreitner – das ist ein sehr internationaler Name. David ist Hebräisch und heißt der Geliebte. Bitte sagt das meinen Eltern. Meine Eltern haben mich eh lieb – zumindest sagen das meine Adoptiveltern. Nein, das war nur ein Scherz. Das würden sie nie sagen. Stockenreitner und das ist das wirklich Internationale – Stockenreitner, das ist ein griechischer Name und heißt auf Deutsch so viel wie: Stockenreitner ist überhaupt kein griechischer Nachname – deine ganze Familie kommt aus Kärnten also hör auf du Bauer! 

 

Moderation/Knopp: Herzlich Willkommen bei Freakcasters, sagen Sandra Knopp und Christoph Dirnbacher. In unserem Podcast geht es um Inklusion, um Menschen, Geschichten & Leidenschaften. Bei uns geht es um jene Dinge, die Menschen gerne tun – egal ob mit oder ohne Behinderung. So auch unser heutiger Gast. Er hasst es, wenn man ihn via Radio auffordert in den Tag zu starten. Manche Mitmenschen kann der gebürtige Kärntner nach eigener Aussage nicht besonders gut leiden. Und dennoch kommt er viel unter Menschen und bewegt sich im Rampenlicht. Denn David Stockenreitner ist Comedian. In seinem aktuellen Programm „El Disablo“ sucht er nach Wegen, um an Geld zu kommen. Ob legal oder illegal ist dabei nicht so wichtig. 

 

David Stockenreitner: Also ein bisserl ein Unsympath bin ich, ein bisserl kriminell angehaucht bin ich auch. Das wären gute Voraussetzungen für ein kriminelles Imperium mit mir als Oberboss, so mafiamäßig. Ich habe so wie viele Mafiosi extrem schlechte Erfahrung mit legaler Arbeit gemacht. Seit der Corona-Pandemie läuft es mit Auftritten eher suboptimal. Ich habe lange Zeit versucht noch in anderen kreativen Berufen Fuß zu fassen und erfolglos Werbeslogans geschrieben. „Selbstbefriedigung – es gibt immer was zu tun“. Oder „Rauchen bekämpft das Zahnfleisch, dort wo es entsteht“. Das wollte mir nie jemand abkaufen. Dann habe ich versucht ein Kinderbuch herauszubringen. In dem Buch geht es sehr viel um das Thema Wahrheit und es trägt den Titel: „Mami und Papi haben sich nicht mehr lieb und das ist deine Schuld!“ Man darf die Kinder nicht anlügen! Dieses Buch gibt es auch für gleichgeschlechtliche Paare – da haben die FPÖ und die Katholische Kirche dagegen protestiert: im Sinne christlicher Werte hat ein Kind ausschließlich die Liebe zwischen Mann und Frau zu ruinieren!

 

Moderation/Knopp: David Stockenreitner ist Jahrgang 1990. Er hat gelocktes, dunkles Haar, das er kurz geschnitten trägt. Er hat eine Brille und einen Dreitagebart. Stockenreitner ist zwei Monate zu früh zur Welt gekommen. Auf seiner Website beschreibt er die Behinderung so: Ein wenig funktionierendes linkes Bein und einen noch weniger funktionierenden rechten Arm. In dieser Podcastfolge kombinieren wir Passagen aus dem Gespräch, dass wir mit David Stockenreitner im Funkhaus geführt haben, mit Ausschnitten aus El Disablo. Es entsteht ein akustisches Porträt mit Ecken und Kanten. Bei seinem aktuellen Programm ließ er sich vom politischen Zeitgeschehen inspirieren. 

Stockenreitner: Obwohl ich nicht explizit politisch bin - in meinem Programm, kommt die Inspiration von den Korruptionsskandalen und Chatprotokollen der letzten Jahre. Es ist wie eine Seifenoper gewesen. Ich habe mich immer gefreut darüber: es war ein Haufen kleiner Buben, die zu weit gegangen sind, weil sie es geil fanden und glaubten niemand kommt ihnen drauf. Da haben sich sehr viele Leute berechtigt aufgeregt, aber ich habe mir gedacht: wenn du die Gelegenheit hättest so zu sein wie die? Würdest du das nicht machen, um auszuprobieren wie das ist? Sehr viele denken, ich wäre niemals korrupt, aber hast du das ausprobiert? Die Behinderung kommt auch ins Spiel. Die Mischung korrupt und behindert, die gibt es selten und das wird auch von der Gesellschaft vielleicht unbewusst behinderten Menschen oft nicht zugetraut, dass sie verschlagen und hinterhältig sein können. Das wäre ein wichtiger Schritt in Richtung Inklusion. Es sollte auch, wenn man salopp sagen will: behinderte Arschlöcher geben.

 

Moderation/Knopp: Für einen Comedian ist wichtig, dass die Gags stets sitzen. Folglich kommt dem gesprochen Wort große Bedeutung zu. 

Stockenreitner: Sprache spielt bei mir im Programm eine besonders wichtige Rolle. Eigentlich könnte man sagen: Sprache spielt die einzige Rolle, durch meine Behinderung kann ich mich nicht so gut bewegen und muss mich eher auf den Text verlassen. 

Ich kann meinen rechten Arm nicht bewegen – und mein linkes Bein ist stark eingeschränkt. Ich will dann nicht auch noch auf meinen Körper achten müssen, deshalb versuche ich es so genauso wie möglich auszudrücken. Nicht-behinderte Comedians spielen Sachen oft körperlich aus, was Pointen eine Extra-Würze gibt oder das Ausspielen schon alleine die Pointe ist, aber bei mir geht das nicht so. Ich muss auf die Sprache achten und mich auf meine Texte verlassen können. 

 

Moderation/Knopp: Sprache und Talent sind das eine, doch inwiefern ist das Entwerfen eines Kabarettprogramms erlernbar?

Stockenreitner: Ja, das kann man schon üben, denn das ist ja auch ein Handwerk. Und ein Handwerk kann man lernen. Man sollte halt eine gewisse Grundlage haben, also ein bisserl einen Schmäh. Die Humor Geschmäcker sind ja Gott sei Dank verschieden. Man kann es schon üben. Es ist ein gewisser handwerklicher Aspekt dabei. Also wenn man jetzt den Humor von einer leeren Badewanne hat, dann wird es wahrscheinlich nicht funktionieren, egal wie gut man handwerklich ist oder wie viel man theoretisch drüber weiß, aber eine gewisse Grundlage da ist, dann geht das schon.

 

Moderation/Knopp: Viele mögen sich fragen, was der Unterschied zwischen einem Kabarettisten und einem Comedian ist. Wir haben das David Stockenreitner gefragt und so hat er geantwortet. 

Stockenreitner: Es gibt so die Annahme, dass Kabarett politisch ist und Stand up Comedy nicht. Das ist kompletter Blödsinn, weil es gibt irrsinnig schade und politische Stand up Comedy und gleichzeitig irrsinnig flaches Kabarett. In Österreich ist nur die Unterscheidung fließend. Eigentlich ist in Österreich immer noch alles, was unterm Strich lustig sein soll oder die Leute zum Lachen bringen soll, Kabarett. Und so allgemein würde ich sagen, in der Stand Up Comedy sind die Erzählbögen kleiner. Es sind kürzere Geschichten, die oft gar nichts miteinander zu tun haben. Ein Stand-up-Programm in seiner reinsten Form, kann man sich fast so vorstellen wie ein Musikalbum, da haben die einzelnen Songs gar nicht viel miteinander zu tun. Die haben einen Beginn und Ende und dazwischen ist oft kein Übergang. Mit der Analogie kann man sich recht leicht zurechtfinden zwischen den zwei Genres. Und ich glaube, dass Kabarett näher am Theater ist als Stand up. 

Moderation/Knopp: Wo verortest du dich persönlich mehr? 

Stockenreitner: Eher im Stand-up. Ich bin nicht sehr theatral. Ich singe auch nicht. Ich habe keine Lichtwechsel und keine Musik. Ich habe einfach nur ein Mikrofon und das war es. Und je nach Veranstaltung und Auftrittszeit kann ich meinen Erzählbogen eher runder machen oder wirklich so wie ein Musikalbum, wo eine Nummer, dann die nächste und dann fertig. Ohne dass die Nummern etwas miteinander zu tun haben. 

 

Moderation/Knopp: El Disablo besteht aus mehreren kleinen Geschichten. Stockenreitner arbeitet viel mit Ironie und Überzeichnung. Ob das nun schwarzer Humor ist, möge jeder für sich selber entscheiden. 

Stockenreitner: Ich bin ein Fan von schwarzem Humor. Wovon ich kein Fan bin, ist, wenn jemand auf Biegen und Brechen zum schwarzen Humor hindrängt, weil das versuche ich auch nicht. Ich habe schwarzen Humor sehr gern. Aber wenn ich jetzt eine Pointe habe oder einen Witz, der nicht düster ist, aber trotzdem gut, dann versuche ich nicht den auf Biegen und Brechen dorthin zu bringen, ins Düstere, sondern dann lasse ich ihn so wie er ist.

Christoph Dirnbacher: Aber wenn ich jetzt die österreichische Kabarettszene vor meinem geistigen Auge quasi Revue passieren lasse oder mir vor Augen halte, dann ist ja fast jeder im schwarzen Humor zuhause. Ich habe kaum jemand gesehen, der sagt, ich mache alles außer schwarzem Humor. Ist das ein Kabarettisten/Comedy-Phänomen oder hat das andere Wurzeln? 

Stockereitner: Ich weiß nicht, ob das, was Österreichspezifisches ist, aber es bezeichnen sich schon so viele Kabarettisten und Comedians als schwarzhumorig. Das hat für mich schon fast jegliche Bedeutung verloren. Wo ich mir dann denke, okay, so arg ist es jetzt nicht. Also wenn da jetzt in irgendeiner Beschreibung drinsteht, der oder die Performerin hat einen sehr schwarzen Humor, dann schaue ich mir das an und denke: Nein, eigentlich nicht! 

 

Sandra Knopp: Und ich habe auch gelesen, dass eines der großen Vorbilder Josef Hader ist. Stimmt das? Und wenn ja, warum?

Stockenreitner: Ja, das stimmt, weil er einer der ersten ist, die gesehen habe. Und weil er mit Worten so gute Bilder zeichnet. Und ich versuche das auch so gut wie möglich zu machen. Also je genauer und klarer das Bild ist, das durch das Erzählen entsteht, desto besser ist die Pointe. Weil man sich dann darin reinversetzen kann. Wenn es aber vage ist, dann leidet oft der Witz drunter. Also ich finde es gut, wenn man Sachen möglichst genau beschreibt.

 

Moderation/Knopp: Wir haben den Comedian auch gefragt, wo ihm die besten Witze einfallen. Die Antwort war erstaunlich einfach. Vielleicht geht es euch auch so. 

Stockenreitner: Das klingt jetzt ein bisschen klischeehaft, aber die besten Witze, glaub ich, fallen einem ein, wenn man nicht drüber nachdenkt. Also unter der Dusche. Ich weiß nicht, wie viel Wasser ich schon verbraucht habe, nur weil ich über etwas nachgedacht habe in der Dusche. Wo ich irgendwie eine halbe Stunde unter der Dusche gestanden bin und dann drauf kommen bin – gewaschen habe ich mich nicht, ich bin nur nass. Die besten Sachen kommen leider, muss man vielleicht dazu sagen, echt in unerwarteten Momenten. Es gibt Leute, die können das, dass sie sich zum Computer oder zum Notizbuch dazusetzen können und so lange schreiben, bis sie irgendwas haben. Das kann ich nicht. Ich brauch eine Grundlage.

 

Moderation/Knopp: Seit ungefähr neun Jahren arbeitet David als Comedian. Vor Auftritten verspürt er immer noch ein gewisses Kribbeln. Das zählt er quasi zu den Berufskrankheiten. Wer sich für ein Bühnenleben entscheidet, braucht vor allem folgende Motivation: 

Stockenreitner: Wenn das Bedürfnis, auf der Bühne zu stehen, größer ist als die Angst davor, dann geht's eigentlich recht gut. Es gibt Leute, die schreiben irrsinnig gute und witzige Texte und wollen sich aber nicht auf eine Bühne stellen. Und dann gibt es Leute, die können sich auf der Bühne stellen und irrsinnig gut improvisieren, aber ums Verrecken nicht schreiben. Und das hat beides seine Berechtigung. Und ich glaube, um sich auf die Bühne zu stellen, gehört vor dem Mut erst einmal das Bedürfnis danach. Ich glaube, sonst bringt es nix. 

Sandra Knopp: Du hast gesagt beim ersten Auftritt, warst du so nervös und hast nicht das Publikum anschauen können, wie hat sich das gelegt? Ist das etwas, womit du heute noch kämpfst? Oder gehst du jetzt gern auf die Bühne und freust dich, wenn du merkst, dein Publikum ist da und du legst los?

Stockenreitner: Ich habe immer noch Lampenfieber und das wird auch hoffentlich immer so bleiben. Aber die Nervosität ist jetzt eine andere. Früher war ich oft nervös, weil ich mir gedacht habe: Ui, das wird nicht funktionieren, das wird nix, das kann ich gleich wieder vergessen. Und heute ist es eher so eine freudige Anspannung, weil ich es ja jetzt doch schon länger mache und dann all meine Texte habe oder meine Witze habe, auf die zurückgreifen kann und wo ich dann weiß, ok - wenn das nicht funktioniert, dann mache ich andere Nummer oder so, dass man immer einen Notfallplan hat und dann geht es schon irgendwie.

 

Moderation/Knopp: Stockenreitner nimmt sich in seinem Programm sehr oft selbst auf die Schippe, wie der folgende Ausschnitt zeigt.

Ausschnitt El Disablo: Generell hält sich meine Liebe zu Menschen absolut in Grenzen. Wenn du mit mir was unternehmen willst, dann musst du mir das zwei Wochen im Vorhinein sagen, damit ich die zwei Wochen Zeit habe, mir zu überlegen, wie ich am besten absage. Ich lasse dann meistens die zwei Wochen verstreichen und antworten dann in letzter Sekunde mit einer WhatsApp Nachricht. Tut mir leid, ich kann gerade nicht, ich bin so eigenartig müde. Das klingt so ominös. Das gibt dem Leser Rätsel auf. Und Lesen soll ja auch Abenteuer im Kopf sein, oder? Und dann? Dann macht sich der Leser Sorgen. Oh Gott, was hat er? Was ist eigenartig müde? Ist er hingefallen, hat er Kreislaufprobleme oder Corona, oder ich weiß nicht. Und da habe ich den Leser dann genau dort, wo ich ihn haben will.

 

Moderation/Knopp: Aufgewachsen ist David Stockenreitner in einem kleinen, aber feinen Städtchen namens Villach im bergigen und wässrigen Kärntnen, wie er auf seiner Website schreibt. Als Kind schaut er damals ab und zu Comedy-Sendungen im Fernsehen. Auch wenn er damals noch nicht alle Witze verstehen kann, ist ihm klar: Er will, wie seine Vorbilder auch Menschen zum Lachen bringen. 

Stockenreitner: Mister Bean, Jim Carrey und Leslie Nielsen, das waren so die Ersten, weil es sehr viel „physical comedy“ war. Und da muss man sich in der Welt noch nicht so auskennen, um zu verstehen, warum das lustig ist. Und mit der Zeit habe ich dann angefangen, so Kabarettauftritte und Stand up Ausschnitte zu verstehen und habe das dann irgendwann selber probiert, weil ich wollte eigentlich gleich ein Programm schreiben – so wie es sich gehört – ein 90 Minuten Programm. Dann habe ich gemerkt, dass ich das noch überhaupt nicht kann. Und dann sind die ersten Englisch Stand up Comedy Open Mics aufgetaucht in Wien. Open Mics, das sind offene Bühnen, da kann sich jeder aufstellen, der sich vorher anmeldet. Und da hat man sich einmal fünf Minuten ausprobieren können und muss nicht ein Jahr lang da sitzen, um sich 90 Minuten Programm zu überlegen.

 

Moderation: Seine Anfänge liegen also in der Tradition der englischen Stand up Comedy, kurze Fünfminuten-Auftritte, die entweder funktionieren oder auch nicht. In unserem Gespräch spricht er recht wenig über seine eigene Biografie. Die Kindheit und Jugend mit Behinderung sei aber oft nicht einfach gewesen.

Stockenreitner: Der Kindergarten war furchtbar, Volksschule war okay und Hauptschule und Oberstufe waren dann wieder furchtbar. Also ich warte immer noch, bis sich der Satz: „Die Schulzeit ist die beste Zeit deines Lebens“ bestätigt. Hätte ich bisher nichts davon gemerkt. Mir gefällt es so, wie es jetzt ist. Ich bin eigentlich nie gehänselt worden oder bewusst ausgeschlossen worden. Aber eine Kindheit und in der Pubertät mit Behinderung ist wirklich niemandem zu empfehlen. Das wirst du vielleicht ein bisschen nachvollziehen können. (Zu Christoph Dirnbacher gewandt; Anm) Als Teenager ist man eh schon so geplagt, weil man nicht weiß, wo hinten und vorn ist und dann mit einer Behinderung noch dazu, wenn man dann oft auch aus gewissen Situationen ausgeschlossen ist, ohne dass dich bewusst jemand ausschließen will. Das geht so nicht.

 

Moderation: Meinst du damit gewisse Sachen wie Sportwochen oder was meinst du damit?

Stockenreitner: Ja, ja, genau. Und da ist halt schlecht, wenn man in einem Umfeld aufwächst, das so auf Sport ausgerichtet ist. Ich glaub, das ist Österreich übergreifend. Wir haben so einen Sportfetisch, den ich überhaupt nicht verstehe. Das sage ich nicht nur, weil ich eine Behinderung habe, sondern das verstehe ich einfach nicht: Was ist so geil dran? Ich versteh's nicht. 

Moderation: Du meinst einen Berg runterzufahren? 

Stockenreitner: Ja, oder auf einen Berg raufzuklettern. 

Sandra Knopp: Wie ist es dann eigentlich dann dazu gekommen, dass du von Kärnten nach Wien gekommen bist? Also wann war das und wie war das dann auch für dich? 

Stockenreitner: Ich bin nach Wien gegangen, weil ich gedacht habe, ich will studieren. Das habe ich ja eine Zeit lang gemacht. Also ich habe einen Bachelor gemacht in Theater, Film und Medienwissenschaft. Und dann habe ich irgendwann fast zeitgleich mit dem Studienanfang oder im 1 Studienjahr habe ich den ersten Comedy-Auftritt gehabt: Und mir gedacht: Ui, mein erster Auftritt war nicht komplett scheiße. Vielleicht sollte ich das beruflich machen. Ein bisserl zu viel Selbstvertrauen, habe ich damals gehabt und es hat dann doch relativ lang gedauert, bis ich so weit war, dass ich es beruflich machen hab können. 

Moderation/Knopp: Jetzt muss ich trotzdem mal nachfragen zum ersten Auftritt -denn an den wird man sich ja ewig erinnern. Wo war das? Wie war das? Und hattest du Lampenfieber? Und wie bist du damit umgegangen? Ganz viele Fragen auf einmal. Aber wie war der erste Auftritt?

Stockenreitner: Ich war so nervös, dass ich glaube, in fünf Minuten zwei Mal aufs Klo gegangen bin, dann auf der Bühne, war ich so nervös, dass ich nicht einmal habe stehen können, ich habe total gezittert am ganzen Körper, dann habe ich mich hingesetzt, dann ist halbwegs gegangen. Aber das Publikum anschauen, habe ich trotzdem nicht können. Ich habe fast die ganze Zeit in den Boden reingeschaut, aber anscheinend war mein Text gut genug, dass ich damals bei einem Kabarettwettbewerb im Theater am Spittelberg Dritter geworden bin. Und da habe ich dann gemerkt okay, ein guter Text ist mehr als die halbe Miete. Das hat mir einen sehr großen Ego Boost gegeben. Vielleicht ein bisschen zu viel am Anfang, aber man wird doch relativ schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Also wenn mir jemand sagt, ein Kabarettist oder Comedian, er hat noch nie einen schlechten Auftritt gehabt, dann hat er das erst entweder einmal gemacht oder er lügt, weil es gibt niemanden, der keinen schlechten Auftritt hat.

 

Moderation/Knopp: Das Thema Behinderung zieht sich durch das Solo-Kabarett: El Disablo. Wir bringen hier nur einen kleinen Ausschnitt, damit nicht zu viel verraten wird.

Ausschnitt: El Disablo: Es gibt am österreichischen Arbeitsmarkt eine sogenannte „Behindertenquote“ Das heißt jetzt nicht, dass jedes Unternehmen eine gewisse Anzahl von Mitarbeitern in Arbeitsunfälle verwickeln muss, bis sie behindert sind.  Sondern das heißt, ein Unternehmen muss ab 25 Mitarbeitern mindestens einen Behinderten oder eine Behinderte einstellen, sonst muss das Unternehmen eine Strafe zahlen. Wisst ihr wie hoch die Strafe ist? 267 € im Monat. Ich bin jetzt kein Arbeitsmarktexperte, aber 267 € im Monat ist billiger, als wie man jemanden einstellt. Wer auch immer sich das ausgedacht hat, hat das Prinzip einer Strafe nicht verstanden. Eine Strafe muss bestrafend sein und nicht eine attraktive Alternative. Wenn du wegen irgendwas verurteilt wirst, dann darfst du dir das Strafmaß auch nicht aussuchen. Da geht der Richter nicht her und sagt Passen Sie auf, sie kriegen von mir entweder zehn Jahre Gefängnis oder ein Bussi aufs Bauchi. Aber überlegen Sie es sich gut. Es wird ein sehr kratziges Bussi. Hat ja wahnsinnig trockene Lippen.

Christoph Dirnbacher: Wie weit darf Humor gehen? Gerade in Bezug auf Behinderung, aber nicht nur? 

Stockenreitner: Es kommt immer drauf an, wer was zu wem sagt und wann man sich darüber im Klaren ist. Und wenn man diese Parameter für sich abgesteckt hat, dann kann man im Zweifelsfall jeden Witz verteidigen, wenn man es sich genau überlegt hat. Also in welcher Situation bin ich? In welcher Situation ist das Publikum? Was darf ich machen, was darf ich nicht, weil ich mich ungern lustig mache über Leute, die noch eine schwerere Behinderung haben als ich. Außer ich stelle sie satirisch über alle anderen, dann schon. Und was Humor darf, das muss jeder mit sich selber ausmachen. Und man hat als Zuhörer oder Zuhörerin oder Zuschauerin das Recht, sich von Witzen und von Comedy oder Kabarett angegriffen zu fühlen. Das ist vollkommen legitim. Aber man sollte sich vielleicht nicht erwarten, dass irgendjemand was dagegen tut.

 

Moderation/Knopp: Oft wisse man aber erst im Nachhinein, wo die Grenze ist, weil man sie überschritten hat, meint Stockenreitner nachdenklich. Ihm geht es nicht um Provokation, um der Provokation Willen, sondern sondern schlicht um einen guten Witz. 

Stockenreitner: Ich höre oft von Leuten, vor allem ohne Behinderung, dass ihnen bei meinen Sachen oft das Lachen im Hals stecken bleibt. Ich weiß nicht genau, was ich mit dieser Aussage anfangen soll, weil es nicht mehr Absicht, dass euch das Lachen im Hals stecken bleibt. Und zweitens habe ich die Behinderung und nicht ihr. Es ist auch nicht ansteckend, ihr könnt ruhig lachen. Und von einem Menschen mit Behinderung habe ich das noch nie gehört.  Die müssen nicht so lange überlegen, bis sie lachen.

 

Moderation/Knopp: Christoph hat sich die bisherigen Programme von David angehört. Ihm ist dabei aufgefallen, dass sich die Gags, die einen Behinderungsbezug haben, meist gegen David selbst richten. Absicht oder Zufall?

Stockenreitner: So irgendwie ein Mittelding. Manchmal ist es Absicht, manchmal ist es Zufall. Ichversuche jetzt nicht extra noch Pointen über meine Behinderung einzubauen, sondern wenn mir was anderes einfällt, was nicht mit der Behinderung zu tun hat, aber trotzdem sehr gut ist, dann lasse ich es drinnen. Außerdem bin ich nicht in erster Linie behindert, sondern Komiker. Und die Behinderung spielt natürlich eine große Rolle, weil es halt mein Leben beeinflusst. Jeden Tag. Und ich kann sie ja nicht verstecken und brauche es auch nicht. Aber ich bin Komiker und möchte meine Pointen so vielfältig und meine Themen so vielfältig wie möglich gestalten. 

 

Moderation/Nachfrage: Was sind das denn für Sachen, die dich selber zum Lachen bringen? Ist es Situationskomik aus dem Alltag, sind das gescriptete Sachen? Worüber lachst du? 

Stockenreitner:Also alles von dem, was du jetzt gerade aufgezählt hast. Wenn ein Witz gut ist, ist er gut, egal wo er herkommt oder womit er zu tun hat. Und ich mag auch absurde Sachen sehr gern. Oft auch Sachen, über die niemand anderer lacht. Nicht, weil es jetzt düsterer oder schwarzer Humor ist, sondern es sind halt oft einfach nur Geräusche. Zum Beispiel wenn ich Musik höre. Frank Zappa, der hat sehr viele Instrumentalstücke gemacht, wo er gar nicht singt. Und trotzdem ist irgendwie das, was er mit Instrumenten macht, so witzig, dass ich echt Tränen lachen müssen.

 

Moderation/Knopp: In seinem Programm macht sich Stockenreitner auf humorvolle Art und Weise Gedanken, ob es nicht besser wäre die eigene Behinderung noch plakativer zu präsentieren. Wenn sich ein Comedian diese Frage stellt, kommt folgendes dabei raus. 

Ausschnitt El Disablo: Ich bin eigentlich recht zufrieden mit meiner Behinderung. Ich habe gedacht, es reicht. Aber ich habe vor kurzem in Berlin gespielt und da ist nach der Vorstellung so ein 18-jähriger auf mich zugekommen, der sagte, deine Behindertenwitze würden viel besser zünden, wenn du mehr humpeln würdest, so auf gottlos. Und zuerst war ich so ein bisschen offended – und  dann habe ich drüber nachgedacht und er hat recht. Ich bin wirklich zu wenig behindert für meine Comedy, ich werde meine Bühnenpersönlichkeit von Grund auf ändern. Ich werde es bei zukünftigen Auftritten so machen. Ich hinke mit beiden Beinen lasse mich nach drei Schritten auf die Bühne fallen. Spiel mein Programm im Liegen, sabbernd und schreiend. Weil wenn schon behindert, dann richtig. Voll Klischee. Bei der Hälfte ungefähr mache ich mir in die Hosen, krampfe ein bisserl und am Ende kommt Licht ins Dunkel in den Saal und tut Spenden sammeln.

 

Moderation/Knopp: Gab oder gibt es einen Moment, in dem der Comedian denkt, dass er es geschafft hat? 

Stockenreitner: Das wird hoffentlich nie passieren. Weil Druck ist jetzt nicht unbedingt was Schlechtes, sondern das kann einen dazu ermutigen, einfach weiter zu arbeiten. Und wenn das weg fällt, was macht man dann noch?

 

Abmoderation: Mehr Informationen zu David Stockenreitner und seinen nächsten Auftritten haben wir euch in die Shownotes gestellt. Das war Freakcasters für heute. Mehr Folgen unseres findet ihr unter freakcasters.simplecast.com. Wenn euch diese Episode gefallen hat, empfehlt uns doch bitte weiter. Wir sind auf allen gängigen Podcastplattformen – wie Apple Podcasts, Spotify und Google Podcasts abrufbar. Wir freuen uns auch über eine gute Bewertung. Am Mikrofon verabschiedet sich Sandra Knopp.